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Historisches Rathaus der Bürgerschaft Zu den markantesten Objekten der Würzburger Stadtsilhouette gehört der als "Grafeneckart" bekannte Bau des historischen Rathauses mit dem unübersehbar ins hohe Mittelalter verweisenden Geschlechterturm, welcher auch heute noch Teil des Rathauskomplexes ist und zudem direkt an der Alten Mainbrücke und dem unteren Ende der Domstrasse gegenüber des herrlichen Vierröhrenbrunnes liegt. Wie gemalt eben. Als ich das erste Mal vor dem Grafeneckart stand, dachte ich sofort an eine deutsche Mittelalterversion der trutzigen Familientürme, wie man sie aus Italien kennt, nur dass hier natürlich die zur Verteidigung dienenden Zinnengänge auf dem Dach und eben das trutzige Rustika-Mauerwerk fehlte. Und tatsächlich, vom Grundkonzept her stimmte das auch. Der Grafeneckart ist im Ursprung ein sogenannter Geschlechterturm. - Ich habe mich immer gefragt, ob es davon wohl noch weitere in der Stadt gegeben hat, aber nie irgendwo eine Antwort darauf gefunden. Wohl eher nicht, denn alte Stiche der Stadt lassen dies nicht vermuten und Historiker haben sich in ihrer Forschung diese Frage offenbar nicht gestellt. Nun ja, ein Würzburger Unikat also. Im hohen Mittelalter entstand in Würzburg eine überaus starke Bürgerschaft, welche sich nach und nach als Gegengewicht zur weltlichen Herrschaft der Fürstbischöfe etablierte. Insbesondere nach der Verleihung der der sogenannten "Güldenen Freiheit" an die Fürstbischöfe durch Friedrich Barbarossa, welche diesen über schon längst bestehende Rechte hinaus den Titel und die Macht eines fränkischen Herzogs zugestand, entfernten sich Bürgerschaft und Bischof voneinander. Das ging soweit, dass der Bischof (Hermann v. Lobdeburg) seinen Sitz 1253 auf die Festung verlegte und sich in den folgenden Jahrhunderten z.T. gar nicht ohne ausreichenden Schutz in der Stadt sehen lassen konnte. 1256 wird erstmalig der Rat der Bürgerschaft erwähnt. Und dieser Rat erwirbt dann also im Jahr 1316 den romanischen Geschlechterturm "Grafeneckart" in unmittelbarer Nähe zur Mainbrücke zusammen mit dem "Grünbaum" genannten Seitenflügel, in dem sich der spätromanische "Wenzelssaal" (benannt nach dem vielleicht schlechtesten deutschen König, welcher indirekt auch in den Prager Fenstersturz von 1419 verwickelt war) befindet, welcher dem Rat fortan als Sitzungssaal diente. - Es handelt sich dabei um einen der wirklich wenigen erhaltenen, reinen Profansäle der Romanik. Der Turm mit der sogenannten "Türmerstube" ist 55 Meter hoch und - wie gesagt - eines der unverkennbaren Wahrzeichen der Stadt. Von dort aus konnte das Geschehen im ganzen Stadtgebiet überblickt und natürlich auch Alarm gegeben werden, wenn es z.B. irgendwo brannte oder sich wieder einmal Ärger mit den 'Bischöflichen' anbahnte. Das Gebäude taucht ca. um 1180 erstmals in der Stadtgeschichte auf, als es von dem bischöflichen Schultheiß "Eggehardus" bewohnt wird, nach welchem es auch benannt ist. Die Wohnsituation dieses 'Grafen-Eckart' lässt sich noch heute nachvollziehen. Beschützt hat ihn der Geschlechterturm allerdings nur temporär, denn es ist belegt, dass der Mann 1201 von zwei Brüdern - möglicherweise im Streit um Wegerechte - ermordet wurde. Diese expedierten sogar nur ein Jahr später den Bischof selbst (Konrad I. von Querfurt) ebenfalls gewaltsam aus dem Leben. Es hat eine gewisse Symbolkraft, dass der Rat der Stadt 100 Jahre später genau hier seinen Sitz nahm. Verschiedene Erhöhungen, Aus- und Anbauten führten bis ca. 1500 zu dem Erscheinungsbild, das wir noch heute vorfinden. Spätere Erweiterungen und Erwerbungen wie etwa der "Rote Bau" komplettieren das Rathaus, wie es bis auf den heutigen Tag als solches genutzt wird. Zuletzt wurde das säkularisierte Karmelitenkloster 1828 hinzugekauft und baulich in den Komplex integriert. Man betritt das Rathaus entweder durch den Haupteingang im Hof an der Rückermainstrasse oder von der Domstrasse aus durch eine schwere Tür in dem kleinen Hof, der sich dort öffnet. - Dort befindet sich im 'Grünbaum' auch ein öffentlicher Gedenkraum an die Bombennacht des 16. März 1945 mit einem Modell der zerstörten Stadt. TIPP: Im Kellergewölbe des "Grünbaum" genannten Flügels am Grafeneckart, in dem romantisch gestalteten Innenhof von der Domstrasse aus und in den sich nach Norden zum Grafeneckart anschliessenden Räumlichkeiten findet sich die Bewirtung des Ratskellers. - Dort kehrt man sehr gut ein, sowohl für ein leckeres fränkisches oder internationales Essen als auch für Kaffee und Kuchen zwischendurch. Der Ratskeller ist auch bei den Würzburgern selbst ziemlich beliebt. Stilvoll, aber auch nicht zu edel. Die angestrebte Reichsfreiheit, also Rechte wie Zölle, Markt, gewisse Gerichtsbarkeiten etc., wie sie etwa jener Wenzel 1398 der Stadt versprach und nach seiner Abreise sogleich wieder zurücknahm, konnte die Stadt gegen die Fürstbischöfe freilich niemals erreichen. Die Niederlage der Bürger und Bauern 1400 in der Schlacht von Bergtheim gegen den Fürstbischof besiegelte es. Auch im Bauernkrieg 1525 stellte sich der Rat der Stadt gegen den Fürstbischof (Konrad II. v. Thüngen) auf die Seite des fränkischen Bauernheeres, das man wechselweise als 'Schwarzer Haufen' oder auch 'Taubertaler Haufen' bezeichnete. Zu den Anführern gehörten so illustre Gestalten wie Florian Geyer oder auch ein gewisser Götz v. Berlichingen. Unter anderem setzte sich der Würzburger Künstler und Ratsherr Tilman Riemenschneider für die Sache der Bauern ein. Der Bischof musste fliehen, die Festung wurde mehrfach stark berannt, aber nicht eingenommen. Die Auseinandersetzung endete in einem furchtbaren Blutbad und bekanntlich mit dem Sieg der Fürsten des Schwäbischen Bundes. Nach Restriktionen, Gegenreformation, Hexenverfolgung etc. fand die Zeit der Auseinandersetzung zwischen Bürgerschaft und Fürstbischof ihr endgültiges Ende wohl nach den Erfahrungen des 30jährigen Krieges, unter dem alle Seiten auf das Heftigste und Sinnloseste zu leiden hatten. Im 18. Jahrhundert konnten die Fürstbischöfe schliesslich auch wieder in der Stadt Hof halten. Der Grafeneckart ist nicht nur Sehenswürdigkeit, er ist Erzähler und Zeuge der Stadtgeschichte zugleich. AKTUELL: 2016/2017 wurden das Dach und die Aussenfassade des Grafeneckarts sowie die dem Anbau ‘Grünbaum’ namensgebende Wandmalerei grundlegend saniert und restauriert. Nun erstrahlt der romanische Geschlechterturm sehr hell in beige, dazu sandfarben in den rahmenden Architekturgliederungen. Das wirkt gewiss schmuck, dürfte aber mit historischen Zuständen des alterhrwürdigen Bauwerks eher wenig zu tun haben. Jede Zeit und Epoche hat das Erscheinungsbild von Stadt und Monumenten an den eigenen Geschmack angepasst; das ist legitim. Auf mich persönlich wirken die nun gefundenen Lösungen jedoch ein wenig wie Märchen und Fantasieland, das finde ich angesichts der Bedeutung des Grafeneckarts für die Stadt etwas schade. Mir wäre die gründliche Reinigung der bisherigen Fassade zusammen mit der Restaurierung der Wandmalerei lieber gewesen. - Was meinen Sie? Rasch vielleicht etwas Patina ansetzen ...? Der ‘Grafeneckart’ im Video des Altstadtrundganges Die 10. Station des Altstadtrundganges stellt u.a. den ‘Grafeneckart’ als heute ältestem Teil des Rathauskomplexes vor. Sehen Sie hier das entsprechende Kapitel aus dem Video des Rundganges, das Sie sich auf Mein-Wuerzburg.com in voller Länge auch auf der zuständigen Seite Altstadtrundgang anschauen können.

Der Grafeneckart

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