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Von ‘Reurerinnen’ und ‘Unbeschuhten’ Die Reurer-Kirche in der Sanderstrasse verdient trotz eines etwas stiefmütterlichen Daseins in unseren Tagen durchaus ihre Aufmerksamkeit, denn Sie trug einiges zur Stadtgeschichte bei bzw. hat eine sehr interessante entwicklungspolitische Vorgeschichte in ihrem Lebenslauf. Die Würzburger nennen den südlichsten Teil der direkt am Main gelegenen Altstadt noch heute das Reurerviertel. Dies bezeichnet ein paar wenige Häuserzüge zwischen dem Main und der Sanderstrasse. Genau hier liegen das noch intakte Karmelitenkloster und die zugehörige Kirche an der Strassenfront. Die Karmeliten selbst - wie jeder weiss - sind eine Gemeinschaft nach den Vorstellungen des Einsiedlers Berthold, der sich nach dem 2. Kreuzzug in der Mitte des 12. Jahrhunderts an dem Berg 'Karmel' (man erkennt den Namen) mit einigen Gleichgesinnten in einer Höhle von der Welt zurückgezogen hat. - Der Papst bestätigte 1226 den Orden, da jener Einsiedler posthum gar viele Anhänger gewann. Und nachdem die Sarazenen diese schliesslich aus dem Heiligen Land vertrieben hatten, verbreitete sich die Gemeinschaft ab 1238 rasch auch im Abendland. So geschehen zu dieser Zeit natürlich auch an dem bedeutenden Ordensplatz Würzburg, wo die Karmeliter ihre Heimstadt zwischen Judenviertel und Main, also im Norden des Grafeneckart fanden. Das Reurerviertel aber liegt einige Hundert Meter weiter im Süden und dort wirken ab 1227 die Schwestern der "büßenden Hl. Magdalena" in ihrem Konvent. Wenn wir diese Idee nun ein wenig fränkisch übersetzen, so kommen wir von den die 'Reue lebenden Schwestern' rasch zu den 'Reurern' und damit zu dem Begriff, der den Ort erklärt. Noch nicht aber zu den Karmelitern und noch weniger zu den 'Unbeschuhten' Vertretern dieses Ordens. Dazu benötigt es die Reformation im 16. Jahrhundert. Dieser Orden der Reurerinnen überlebte die Veränderungen jener Zeit nicht und wurde in Würzburg 1564 aufgelöst. Ab 1568 und damit beinahe zeitgleich entstand durch die spanische Mystikerin "Teresa von Ávila" ein Reformzweig der Karmeliten, der schnell viele Anhänger fand. Im Kern ging es darum, wieder nach den ursprünglichen Regeln in wirklich nur kleinen Gemeinschaften zu leben. Nun, diese Regeln sahen zudem im wörtlichen Sinne tatsächlich auch einen 'unbeschuhten Lebenswandel' vor. Sandalen sind jedoch erlaubt. Als diese "unbeschuhten Karmeliter" schliesslich auch nach Würzburg kamen, erhielten sie 1627 das leer stehende Konvent der ehemaligen Reurerinnen zugewiesen, wo wir sie noch heute als aktives Kloster finden. Da in Würzburg Namen und Geschichten sich aber hartnäckig gegen das Vergessen zur Wehr setzen, spricht man noch heute von der Reurerkirche. - Das Kloster wurde im Zuge der Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts nicht aufgelöst (!) und wurde so zum Ausgangspunkt der Wiedererrichtung der Ordensprovinz der Karmeliter. Der Neubau der heutigen Kirche ist ein frühes Werk von Antonio Petrini zwischen 1662 - 69, allerdings unter starker Beteiligung des Flamen J.B. van der Driesken, der auch anderenorts für die Karmeliten tätig war. Sie gilt damit als die erste Barockkirche Würzburgs. Ein wenig spät möchte man meinen, wobei es jedoch zwei Faktoren zu berücksichtigen gibt. Mit der Zeit Julius Echters hatte eine Epoche grosser Bautätigkeiten in einer Art Übergangsstil den Bedarf zunächst gesättigt und anschliessend kam der 30jährige Krieg dazwischen, in dessen Nachgang sich die Bautätigkeiten zunächst stark der Neubefestigung der Stadt zuwandten. Das Grundkonzept der Kirche erinnert in vereinfachter Form ein wenig an die allerdings deutlich später entstandene Jesuitenkirche St. Michael. Das einschiffige Langhaus trägt auf einer stark hervorspringenden Pilasterordnung ein Zwickel durchbrochenes Gewölbe, dessen Obergadenfenster die Haupt-Lichtquelle des Innenraumes bilden. Dazu verschiedenste Kapellen auf beiden Seiten entlang des Langhauses, eine Vierung mit letztlich nur angedeuteten, nicht über die seitlichen Kapellen hinausreichende Querhäuser sowie ein westlicher Chorabschluss mit Gliederung und Gewölbe. Die Hauptfassade zeigt ebenfalls eine deutliche und die Innenarchitektur wiedergebende Pilasterordnung, welche im Mittelteil das Hauptschiff noch einmal hervorhebt. Es trägt ein mittelschiffbreites und barock eingeschwungenes Giebelgeschoss, welches mit seinem zentralen Fenster ebenfalls noch einmal die Hauptachse betont. Unterhalb der Kirche befindet sich eine sehr grosse, von mächtigen Pfeilern getragene Krypta über beinahe die gesamte Ausdehnung des Baus. Hier sind am Ende des 2. Weltkrieges ca. 500 Menschen dem verheerenden Flammeninferno und damit dem sicheren Tod entkommen, während über ihren Köpfen die Kirche, das Reurer-Viertel und die ganze Altstadt dem Feuersturm zum Opfer fiel. Der Wiederaufbau der Kirche im architektonischen Vorkriegszustand war bereits 1950 abgeschlossen. Anschliessend bestand die bewusst zunächst schlicht gehaltene Ausstattung des Kirchenraumes im wesentlichen in Leihgaben aus dem Bayerischen Staatsbesitz. - Später ist der freundlich und hell wirkende Innenraum in 2 Phasen 1977 und 1997 - 2001 durch den Bildhauer und Maler Paul Nagel neu gestaltet worden. Die Reurer-Kirche steht wahrscheinlich nicht sehr häufig auf dem Programm des internationalen Tourismus in Würzburg. Umso mehr lohnt es sich aber die interessante Geschichte des Klosters und der Kirche mit der sehenswerten Krypta zu erzählen.

Die Reurerkirche

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Die Reurerkirche des Karmelitenklosters