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Ein Ort der Erinnerung, der Schönheit und der Muße Ein kleiner Hof von nur ein paar Quadratmetern fehlt in keinem Rundgang und keiner Würzburger Stadtführung. Auf der Nordseite des Neumünsters, also hinter der Kirche, führt rechter Hand des Chors ein fast unscheinbarer Durchgang in das "Lusamgärtchen". Ins Auge fällt dort der eine erhaltene Flügel eines romanischen Kreuzgangs aus der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts. Dieser war über die Zeiten vergessen in einem angrenzenden Wirtschaftsgebäude verbaut worden, bevor er 1883 wieder entdeckt und im Luitpold-Museum (Vorgänger Mainfränkisches Museum) ausgestellt wurde. Ab 1930 dann wieder in der Nähe des ursprünglichen Standortes und wohl in nicht originärer Ausrichtung im jetzt 'Lusamgärtchen' genannten Kleinod. Der Name - legt man die lateinische Wortbedeutung zugrunde - bedeutet so viel wie Gärtlein der Spielenden oder auch Scherzenden. Je nachdem. Heute würde man wohl sagen, es ist eine Marketing-Schöpfung. Die leider stark verwitterten Stelen zeigen z.B. Reliefe des Kilian und des Christus als Weltenherrscher. Es handelt sich dabei um die vielleicht ältesten figürlichen Darstellungen Würzburgs. Insbesondere interessant finde ich jedoch die Säulen mit den Würfelkapitellen, welche neben zu erwartenden Palmetten z.T. auch an Runen und sehr viel ältere Zeiten erinnernde Motive zeigen. - Vielleicht ein Ausdruck der Disputation, der Scholastiker und Domschule dort, für die Würzburg im Mittelalter durchaus bekannt war. Der Ort, an dem wir uns hier befinden, war früher bekannt als 'Grashof' und wurde eben von diesem Kreuzgang eingerahmt. Er diente für Jahrhunderte als auch als Begräbnisstätte des Stifts. Der Scholastiker, Pro-Notar des Bistums und Mitglied des Neumünsterstifts Michael de Leone (übrigens neben dem Templerorden einer der Inhaber des Löwenhofes, in dem auch die erste Würzburger Universität ihre Heimstatt fand) berichtet in der Mitte des 14. Jahrhunderts davon, dass sich in diesem Grashof das Grab des Walther v. der Vogelweide befände und gibt die Inschrift auf dem Grabstein (Epitaph) wieder: "Der du eine Weide für die Vögel, Walther, im Leben warst, der Sprache Blüte, der Weisheit Mund, verstarbst. Folglich möge deine Redlichkeit etwas Goldenes haben. Wer dies hier liest, "Gerechter Gott erbarme dich!", soll sagen." Es ist möglich, dass das Grab dort bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts bestand und im Zuge von Umbaumaßnahmen der Kirche dann ebenso verlorenging wie auch der schliesslich verbaute alte Kreuzgang. Jene Zeit kurz vor der Etablierung der Geschichtswissenschaften, wie wir sie kennen, hatte nicht unbedingt ein feines Gespür für das historische Erbe. - Andererseits gibt es in der Forschung auch diejenigen, welche der Überlieferung des 'Michael de Leone' - sie haben es erkannt, er benannte sich selbst nach dem Löwenhof - nicht restlos vertrauen. Vor allem deshalb nicht, weil die von ihm zusammengetragene "Würzburger Liederhandschrift" mit Texten eben u.a. von Walther und Reinmar dem Älteren (erst Mentor und dann Gegner Walthers) einiges an Ungereimtheiten aufweist. Ausserdem erheben mehrere andere Orte einen Anspruch auf Sterbeort und Grab Walthers. Zum Teil haben sie Gründe dafür. Warum z.B. sollte Walther nach einem ihn stets drängenden Wanderleben dies für Jahre völlig aufgegeben, aber an dem Ort nichts Nachweisbares hinterlassen haben? - Meine leider früh verstorbene Schwester, eine in Fachkreisen ziemlich bekannte deutsche Mediävistin, war ebenfalls nicht restlos davon überzeugt, dass Würzburg der tatsächliche Begräbnisort Walthers sei, gestand diesem aber immerhin bessere Gründe zu als anderen. - Ich für mein Teil denke wiederum, dass nach weit über 100 Jahren ein Michael de Leone sich in seinem Schaffenseifer (Liedersammlung) auch schon mal deutlich vertan haben konnte und dazu vielleicht ein etwas eitler Mensch war, der Behauptung vor Wissenschaft stellen konnte. Das heißt aber noch lange nicht, dass die Wiedergabe des Grabes von Walther Erfindung ist! - Was meinen Sie dazu ... Walther von der Vogelweide jedenfalls hat uns dies hinterlassen: "ich hân mîn lêhen, al die werlt, ich hân mîn lêhen" Der schon zu Lebzeiten sehr bekannte und kontrovers verehrte oder aus gegnerischen Gründen nicht so verehrte Dichter erhielt von Friedrich II. (einem Enkel Barbarossas und selbst das 'Staunen der Welt' genannt) um 1220 ein Alterslehen des Neumünsterstifts, wo er demnach seine letzten Lebensjahre verbracht haben soll. Ein wenig bemerkenswert ist, dass Friedrich - der Walther keinesfalls damals persönlich kannte - dies schon aus Anlass seiner Thronbesteigung tat und eben dieser Walther offenbar in ganz Europa dafür berühmt war (denn Friedrich hatte deutschen Boden noch nie betreten), dass er u.a. den Papst Innozenz III. - ehemals Vormund und Erzieher Friedrichs - mit Spottversen und Hohn besungen hatte. Walther wurde also nachträglich für seine Parteinahme zugunsten Philipps von Schwaben im deutschen Thronfolgestreit belohnt und anscheinend auch dafür, dass schon der junge Friedrich - eine der schillerndsten und mysteriösesten Figuren des hohen Mittelalters - wohl nicht viel übrig hatte für die Intrigen seines Vormunds. Die Politik des Mittelalters war mal mindestens so kompliziert wie sie es heute auch ist. Seit 1930 ist zusammen mit dem Kreuzgang auch das Denkmal an Walther von der Vogelweide in der Form eines stilisierten Sarkophargs (ich bin dabei an das Bauhaus erinnert) im damals eingerichteten 'Lusamgärtchen' zu Hause. Die Inschrift auf dem Stein ist ein Zitat des Hugo v. Trimberg. Sie Lautet: "Herr Walther von der Vogelweide, swer dez vergaeze, der taet mir leide" Das kann sich ein jeder wirklich gerade so eben noch selbst übersetzen. Auf dem Stein finden sich zu allen Jahreszeiten frisch abgelegte Blumen. Wer das seit Jahrzehnten tut - ich habe es nie anders vorgefunden - ist eines der grossen und in der Stadt tatsächlich diskutierten Mysterien der Gegenwart. Wie gesagt, es ist nur ein kleiner Hof, aber er fehlt in keinem Rundgang und keiner Stadtführung in Würzburg. P.S. In dem Garten befindet sich seit den 1990er Jahren ebenfalls eine Pieta von Lukas van der Auwera - richtig, diese Bildhauer- Dynastie begegnet Ihnen in der Stadt auf Schritt und Tritt - aus dem Jahr 1764. Das vielleicht konsequent empfundene Nichteingehen auf dieses Werk und so viele andere anderenorts sei bitte verziehen, da erstens immer eine Auswahl getroffen werden muss und zweitens die Zerstörungen bzw. Auseinanderreissungen des 2. Weltkrieges ein so unfassbares Durcheinander und Elend angerichtet haben, dass es sich bis auf den heutigen Tag entweder nicht wieder herstellen oder nicht klären lässt. Das ‘Lusamgärtchen’ im Video des Altstadtrundganges Die Station 2 des Altstadtrundganges führt in ihrem letzten Abschnitt auch in das hinter dem Neumünster gelegenen ‘Lusamgärtchen’. Sehen Sie hier das entsprechende Kapitel aus dem Video des Rundganges, das Sie sich auf Mein-Wuerzburg.com in voller Länge auch auf der zuständigen Seite Altstadtrundgang anschauen können.

Lusamgärtchen

Das Walther-Grab

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